“Das wird die beste Zeit unseres Lebens! Party, Sonne, Strand – was will man mehr?” Nun, Party und Sonne waren im Zeitraum der Abschlussfahrt 2024 der Jahrgangsstufe 12 der HLA Rastatt begrenzt, jedoch hatten unsere deutschen Schauspieler aus dem Film „Abschlussfahrt” Recht behalten. Die fünf gemeinsam verbrachten Tage sind tatsächlich die beste Zeit unseres Lebens gewesen. Und da die Reise in die niederländische Hauptstadt ging, lag die Freiheit nicht nur auf der Hand, sondern auch in der Luft.
Um Verwirrungen zu vermeiden, fangen wir von vorne an.
Unsere Reise begann umstritten früh, um 8.30 Uhr, Montag morgens. Dieser Tag stellte die geringste Anstrengung dar, gleichzeitig aber auch die größte Hektik, um nicht zu sagen den größten Stress. Als Stichpunkt „die Pünktlichkeit und die dementsprechend gewährleistete Umsteigemöglichkeiten der deutschen Bahn“ dürften an der Stelle für sich sprechen. Im Endeffekt erreichte unser Amsterdam-Clan den Hauptbahnhof, direkt am Rande des Küstengewässers Het IJ. Zu unserer Überraschung stimmte die Warnung über die Fahrradfahrer-Autobahn, welche den ersten Kulturschock darstellte. Nach der Überwindung dieser, bezogen wir unsere maid-sized Zimmer und machten uns anschließend auf den Weg, das Herz der Stadt erstmalig zu erkunden. Der überwältigende Anblick von schiefen, schrägen und dünnen Häusern war, nun, überwältigend. Durch enge Gassen schleichend entdeckten wir bislang unbekannte Läden, Restaurants aus denen gute Laune strömte und die bereits erwähnte Freiheit, welche den zweiten großen Kulturschock herbeiführte. Nach der langen Anfahrt und kurzer Stadteinführung, ließen wir den Abend angemessen ausklingen. Unsere Organisatoren planten hierfür eine Kanalbootsfahrt ein, die uns ermöglichte, die Stadt in ganz anderen Lichtern zu sehen. Wir haben dabei nicht nur etwas über die Historie Amsterdams gelernt, sondern auch über die wirtschaftliche Lage. So wurde uns von unserem Skipper erklärt, dass die Häuser entlang dieser Gracht nicht von gewöhnlichen Bürgern bewohnt werden, sondern von „betuchten“ Bürgern, wie Investment Bankern, Politikern und „anderen Kriminellen“, wie sich unser Kapitän ausdrückte. Für Lachen sorgten allerdings nicht nur die Insider Informationen unseres Bootsführers, sondern auch Herr Talpai, der sich in seiner orangefarbigen Regenjacke als Mitglied der Besatzung tarnte und dem einen oder anderen Schüler aufs Festland verhalf.
Am zweiten Tag reisten wir in die Vergangenheit durch das Anne-Frank-Museums. Die Geschichte des jüdischen Mädchens, das sich im Zweiten Weltkrieg zwei Jahre lang mit seiner Familie im Hinterhaus des heutigen Museums versteckte und kurz vor Kriegsende deportiert wurde und in Bergen-Belsen starb, war sehr berührend und betroffen machend. Dem ist eine etwas fröhlichere Unternehmung vorangegangen, in der wir uns größte Mühe gegeben hatten 165,31 Quadratkilometer in drei Stunden zu Fuß abzudecken. Etwa 6 km hatten wir davon auch geschafft. Dabei spielte Herr Mayer und Frau Jungmann eine wesentliche Rolle als Profi Tour Guides.
Den restlichen Tag durfte der Jahrgang damit verbringen die Planung selbst in die Hand zu nehmen und in kleinen, aber feinen Gruppen Souvenir-Shops zu plündern, lokale Leckereien zu probieren, Photoshoots zu veranstalten oder die weit umstrittenen Coffeeshops, logischerweise nur von außen zu betrachten.
Und somit sind wir bei Mittwoch angekommen. Dem Tag, den wohl die meisten in puncto Gemeinschaft, Erleben und Entspannung am höchsten ranken würden. Zunächst verschafften wir uns einen Eindruck über Haarlem, eine Stadt mit ca. 230.000 Einwohnern etwa 20 Minuten mit dem Zug von Amsterdam Centraal entfernt. Der Charme der Architektur, die Ruhe, die die Stadt ausstrahlte und das immer vorherrschende Möwengeschrei verstärkten das Gefühl der Ferne unseres Heimatlandes. Spätestens hier wurde klar, wir sind nicht mehr zuhause. Nach einer kurzen Stärkung und Bewunderung der örtlichen Kirche, setzten wir unsere Zugfahrt nach Zandvoort aan Zee fort. Schon beim Aussteigen ertappte uns eine nach Urlaub riechende, leichte Brise, der wir bis zum Strand folgten. Entgegen unseren Erwartungen waren die Temperaturen eher im sommerlichen Bereich, weshalb sich einige aus der Truppe dazu entschieden ein paar Stunden ungestört dem Rauschen der Nordsee zu widmen, während andere doch lieber in einer nahegelegenen Spielarkade ihr Glück versuchten. Legenden besagen, eine Schülerin habe sogar den Jackpot am Glücksrad geknackt. Eine geringe und doch präsente Anzahl an Schülern haben trotz kostenloser Sonnencreme ihr Erscheinungsbild einem Hummer angepasst. Auch ihr Schmerz wurde jedoch bei unserem gemeinsamen Abendessen am Strand gestillt, denn die Speisen waren hervorragend. Die Predigt unserer Begleiter entpuppte sich hier als unwahr. Es sind nicht die elektronischen Endgeräte, die unsere Gesellschaft spalten, sondern Buntstifte und Malhefte. Dies hat sich bei besagtem Abendessen bewiesen, als der Jahrgang ein Piratenbild vor sich liegen hatte, das dazu dienen sollte, die Wartezeit sinnvoll zu füllen. Und fast ausnahmslos wurde diese Möglichkeit ergriffen, um sein inneres Kind noch einmal glücklich zu machen.
Am nächsten Tag stand eine kulturelle Bereicherung auf dem Plan. Die HLA Rastatt besuchte das begehrte Street Art Museum Straat. Nicht nur haben wir etwas über Kunsttechniken lernen dürfen, sondern auch über die Einordnung dieses Genres in der Welt der Kunst. Es kristallisierte sich heraus, dass das oft voreilig verurteilte Sprühen, seine Daseinsberechtigung hat und tatsächlich tiefgründige Geschichten erzählen kann. Dieser Besuch gewährte Einblick in die Gedanken vieler Künstler, aber auch in die künstlerische Entwicklung der Stadt selbst. Nachdem Handys und Kameras gezückt und der Großteil aller ausgestellten Bilder abgelichtet worden sind, spaltete sich die Gruppe wieder einmal. Ein wenig quality time mit unseren begleitenden Lehrern durfte auch nicht fehlen, weshalb abends die Option bestand mit ihnen gemeinsam in der lockeren Atmosphäre einer Bar Gespräche zu führen. Leider verloren sich einige aus der Gruppe in Souvenir Shops und konnten sich dem Rest so nicht anschließen. Der Abend ging dementsprechend relativ lange. Er war geprägt von Google Maps und einem letzten Versuch Amsterdam bei Nacht zu erobern. Und so ging unsere Reise zu Ende.
Der Freitag bestand daraus Proviant für unterwegs zu besorgen und die letzten Stunden in der Stadt zu genießen. Die Hinfahrt vollbrachten wir nun rückwärts und nach acht flinken Stunden durften wir schon unsere Zeit in Amsterdam Revue passieren lassen. Die Resonanzen spalten sich an manchen Stellen, doch das allgemeine Empfinden beläuft sich auf: „Het waren vijf onvergetelijke dagen“, oder für die, die keinen Niederländisch-Kurs belegt haben: „Es waren fünf unvergessliche Tage.“
Borglarka Kondi, Alexia Barbu (WG I 12)/ Juli 2024